In einem zu Beginn des Jahres vom Bayerischen Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat und des Bayerischen Staatsministeriums für Bildung und Kultur, Wissenschaft und Kunst ausgeschriebenen Wettbewerb wurden die bayerischen nichtstaatlichen Museen aufgerufen, Objekte und deren einzigartige Heimatgeschichten vorzustellen. Unter diesen Einsendungen wurden  „100 Heimatschätze“, regionaltypische Kleinode, die mit besonderen Bezügen zur bayerischen Heimat verbunden sind, auserwählt und am 13. Juli 2018 in der Allerheiligen-Hofkirche der Residenz München bekannt gegeben. Einer dieser „Heimatschätze“ befindet sich im Stadtmuseum Marktoberdorf: Die Fasnachtspuppe „Mühleisen Franz“.

Fürstbischof Clemens Wenzeslaus, der für seine Sommerresidenz das Schloss im Markt Oberdorf bevorzugte, ließ um 1780 am Ende der von ihm angelegten, circa zwei Kilometer langen Lindenallee einen „Tempel“ errichten. Zu diesem aus Holz erbautem Pavillon, der groß genug war, um Gesellschaften aufzunehmen, gehörten ein Keller für Speisen und Getränke, ein Pferdestall und eine Klause. In dieser Klause befand sich eine lebensgroße Holzfigur, die sich dank der eingebauten Mechanik leicht erhob, wenn beim Betreten der Hütte auf das Brett im Eingang getreten wurde. Unter den Marktbewohnern war die Puppe als „Eremit“ oder „Klausner“ bekannt.

Kurz nach dem Tod des Fürstbischofs zerfiel der „Tempel“ samt seinen umliegenden Wirtschaftsgebäuden. Franz Mühleisen, der 1812 im Vollzug des Gemeindeedikts von 1808 als Bürgermeister gewählt wurde und sein Amt bis 1842 innehatte, nahm die Holzfigur an sich und gewährte ihr in seinem Heim Obdach. Kurz nach dessen Ableben kam die Figur zu ihrem Namen. Als die Erben den Dachboden ausräumten und die Holzfigur erblickten, hätte jemand gerufen: „Jaa, do ischt er no, dr Mihleisa Franz!“

Von da an war der hölzerne „Mühleisen Franz“ Mittelpunkt der Oberdorfer Fasnacht. Nachdem er beim Fasnachtsumzug teilnehmen durfte, wurde anschließend allerlei Schabernack mit ihm getrieben. So setzte man die Figur, gekleidet je nach der Rolle, die sie einnehmen sollte, in eine Wirtsstube oder ließ sie mit einer Zeitung in der Hand die Aborte blockieren.

Auch die große Liebe wurde ihm zuteil: Zur Fasnacht 1887 feierte die ganze Marktgemeinde die Verlobung vom „Mühleisen Franz“ mit der Sulzschneider Bötin Mariann. Das Brautpaar wurde in einer geschmückten Kutsche durch die Straßen von Marktoberdorfs geführt und genoss anschließend einen Verlobungsschmaus.

1953 erlebte der „Mühleisen Franz“ seinen letzten Auftritt unter freiem Himmel. Vornehm gekleidet durfte er beim Festumzug anlässlich der Stadterhebung mitfahren, bevor er anschließend dem Museum übergeben wurde.


Foto: Stadtarchiv Marktoberdorf.


Von der "Verlobung" 1887 ist eine Fotografie erhalten geblieben. 1886 wurde dem „Mühleisen Franz“ zudem ein Fasnachtsgedicht in Mundart gewidmet:

„Lebensbeschreibung von Franz Mileis.

Meine Herren!

Do seachet ihr den Mileise Franz
s’isch ahöb an alter Schwanz.
Dös isch a böse Teufels g’schicht
daß ma it weiß, wia alt er isch.

Aber doch soviel weiß ma g’wieß
Daß er beim Churfürste g’wese ischt!

Jetzt loset Leut und gend recht guat acht
Was Mileise Franz hat für Sacha g’macht.

Im Tempel duß hat er gelebt in seine Jugendjahr
ganz lustig und fidel, ganz ohne Gfahr.
Und wenn der Churfürst komme isch
ischt er auf g’schande hinderm Tisch.

Isch führe gange a paar Schritt
und hat um a klein’s Trinkgeld bitt.
Wie‘s hald got bei solche Herre
der Churfürst hot ihn g’hött ganz geare.

Manchmal hot er g’macht ganz dumme Sacha
dann hat der Churfürst müße fürchtig lache.
A oinzig’s mol isch’m in d Hose ganga
do hät er bald a Watsche g’fanga.

Aber a groß Mahleur hat’s anno 12 geabe
wo der Churfürst aufghört hat vom Leabe
und niemand hat‘ sich um den Franz a’gnomme
ma isch zum alte Mileis komme.

Dr Mileis Niklaus war a braver Ma
und hat g’söht als Kind nimm i di a!
Bald aber hat a kriegt an rechte Zore
weil Mathäus ist sei Bruder wore.

Später hat er o koin guate g’raucht
weil ma’m hot d’Vera, hot als Schwester brocht.
Dia hot a Maul g’hät wia a Kuha
und an schieche Gang derzua.

Verliebt isch er bloß oimal g’wöße
und das in Mileise Annastäse.
O die Annastäse die huldige, dia liabe
hat sich in alles könne füge.

Dem Fuchse darf ma it vergesse
deam hat er oft auf’m Hintre g’sesse.
Ma isch mit ihm g’fare, auf Beure u auf Füsse
und er hat’n o am öfteste putz müsse.

Jetzt hot er s’ganze Jahr sei Ruh
nur wenn d’Fasnacht kommt will er derzua.
No muß ma ihm an Schmarra mache in der Pfanne
und des b’sorgt alleweil Berteles Nanne.

Es isch g’west vor etliche Jahr
do hot er ausg’stande dia größt Lebensg’fahr.
Dann isch der Sidepudl komme mit am Dege
und hat ihm wolle a Stuck vom Fidle säge.

A Zahng’schwür hat er kriegt daß Gott erbarm
wia isch damals der Franz g’wöse so arm.
Ja alle Leut dia hot des g’rührt
wia man hot auf der alten Post opriert.

Ma muß o von allem verzölle
a hot sogar de bayr. Hiasel mache wölle.
Und wenn ma’m it zu Hilf wär komme
no hatt ma’m ihm bald ‘s Lebe g’nomme.

Ma könnt freile no manches sage
aber mir wend it no mehr Zeit vertraga
und kofet ohne weiteres Wease
die Beschreibung, no könnet ers dahoim
o no lease.

Oberdorf im Carneval 1886

M. Fendt.“

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