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Feuer und Eisen, ein ganz besonderer Duft und fliegende Dosen

Eine Herausforderung für mich war und ist das Lieblingsstück unseres lieben Hans Kohl im Stadtmuseum. Es handelt sich nämlich nicht um ein einzelnes Objekt, sondern um das ganze Schmiedezimmer (Raum 112).

Hans schrieb dazu: „Was mich im Museum immer wieder begeistert, ist das Schmiedezimmer. Mit drei Jahren kam ich 1946 als Flüchtling mit meiner Mutter und meiner Schwester nach Leuterschach. Hier wuchs ich auf, und da meine Eltern beide berufstätig waren, hatte ich viel freie Zeit.

Ein Anziehungspunkt für mich war die Schmiede von Martin Fichtl in der Leuterschacher Straße 4. Er stellte alles her, was die Dorfgemeinschaft brauchte: Rechen, Werkzeuge, landwirtschaftliche Maschinen, Stiegengeländer. Ich glaube sogar, dass er das schmiedeeiserne Tor der Pfarrkirche geschmiedet hat. Schon wenn man in die Nähe kam, roch es nach verbranntem Huf. Von weitem konnten wir die Hammerschläge hören, wenn geschmiedet wurde.

Also zog es mich immer wieder hin, denn es waren immer Bauern da, um an ihrem Arbeitsgerät etwas reparieren zu lassen. Besonders interessant war das Beschlagen der Pferde. Zuerst wurden die alten Hufeisen entfernt, was oft nicht einfach war, da die Pferde oft unruhig wurden. Der Bauer und der Schmied versuchten die Tiere zu beruhigen, was ihnen meistens gelang. Oft zogen sie ein Tuch über den Kopf des Pferdes. Dann begann das Entfernen der Hufnägel, was oft ein Ausschlagen des Pferdefußes nach sich zog. Das abgelöste Hufeisen kam nun in das bereits vorher entfachte Feuer, wurde heiß gemacht und auf dem Amboss geschmiedet. Mit einem Spezialmesser entfernte der Schmied die Hornreste des Pferdes. Jetzt kam das heiße Hufeisen auf den Pferdefuß und ein beißender Geruch von verbranntem Huf erfüllte die ganze Schmiede. Mit acht Nägeln wurde dann das Hufeisen befestigt. Das Pferd setzte den Fuß auf den Boden und war anscheinend mit dem neuen Hufeisen sehr zufrieden.

Ein anderer Bauer brachte einen Zugrechen, an welchem ein paar Zähne abgebrochen waren und die der Schmied erneuern sollte. Weiter wurden an Heuwagen verschiedene Reparaturen ausgeführt. Ein Eisenzaun kam in die Jahre und der Schmied war wieder gefordert. Es gab immer etwas zu sehen und der Besuch beim Schmied wurde gerne für einen Hoigarte genutzt."

 

Michael Fichtl in seiner Schmiede

 

 

Wir Buben hatten noch ein besonderes Vergnügen, für das wir in der Schmiede einkauften: Zum Schweißen benutzte der Schmied Karbid. Die Karbidbrocken bewahrte er in großen Metallfässern auf. Um 20 Pfennig konnte man kleine Brocken davon kaufen. Die haben wir Kinder dann für unsere Knallkörper verwendet. Zu Hause schlugen wir mit einem Nagel ein kleines Loch in die Unterseite einer leeren Aletepulverdose. Dann gaben wir einen Brocken Karbid hinein und spuckten ein paarmal darauf. Das Loch am Boden der Dose verschlossen wir mit dem Zeigefinger, oben drückten wir den Deckel drauf. Danach rissen wir ein Streichholz an, nahmen den Zeigefinger von dem Loch und entzündeten das ausströmende Gas. Mit einem lauten Knall flog der Deckel der Dose davon. Wir hatten einen riesigen Spaß mit dem Karbid und der Dose.“

 

 

In Hans‘ Kindheit sah die Schmiede in Leuterschach so aus:

 

 

Bis 1951 wurde sie von Martin Fichtl betrieben. Die Schmiedewerkstatt belegte das ganze Erdgeschoss des Hauses. Bis 1986 wurde sie als mechanische Werkstätte durch den Sohn Michael Fichtl weitergeführt und bis 1994 durch den Enkelsohn Martin Fichtl. Heute steht an der Stelle ein modernes Wohn- und Geschäftshaus.

 

 

Anwesen Fichtl 2004 mit Rosi und Anna Fichtl

 

 

Unser Heimatvereinsmitglied Afra Krumm wohnt ganz in der Nähe und auch sie zog es als Kind immer wieder in die Schmiede. Sie erzählt: „Das Tor der Schmiede stand immer offen. Als Kind ging ich oft mit meinem Vater hin, wenn der was brauchte. Noch öfter war ich zusammen mit den Nachbarskindern dort. Der Martin Fichtl war sehr kinderlieb und duldete uns in seiner Werkstatt. Mich faszinierten besonders die Pferde, denn wir hatten zu Hause keines. Deshalb sah ich immer gerne zu, wenn ein Pferd beschlagen wurde. Das Feuer und die Glut in der Esse faszinierten mich. Die Knallerei mit den Karbiddosen war Sache der Buben. Dafür waren wir Mädchen viel zu brav! Die Schmiede war für die Männer der Treffpunkt im Ort, dort wurde politisiert und diskutiert, besonders im Winter, wenn in der Landwirtschaft nicht viel zu tun war.“ Afra bewahrt noch eine handgeschmiedete Egge auf, die wahrscheinlich vom Leuterschacher Schmied hergestellt wurde. An einer geschützten Stelle ihres Anwesens hat sie sie aufgehängt, so dass sie erhalten bleibt und von jedermann bestaunt werden kann.

 

 

 

Nun aber zum Schmiederaum (Raum 112) in unserem Museum: Die Idee dafür stammte von Eva Haupt, die um 1990 hauptamtlich bei der Stadt angestellt war, um ein Konzept für das „neue“ Stadtmuseum zu erstellen und es einzurichten. Der Heimatverein war eingebunden und unterstützte sie. Man überlegte, welche Handwerke für Marktoberdorf wichtig waren und zu welchen es Museumsstücke gab. Heraus kamen die Metallverarbeitung (Schmiede, Schlosserei, Turmuhrenbau und Bleizugmaschinen). Weil der damalige Bürgermeister Franz Schmid eine Ziegelei hatte, kam auch noch ein Ziegeleibereich dazu. Beim Betreten des Schmiederaumes sticht sofort das große Wandbild von Hans Kögel ins Auge, das ihn etwa 1940-50 in seiner Werkstatt zeigt. Das Foto stammte aus der Sammlung von Frau Eigler, bei Foto Hotter wurde es vergrößert.

 

 

 

Die Übernahme von Teilen der Kögelschmiede ins Museum fädelte Hans Zacherl, der damalige zweite Vorsitzende des Heimatvereins, ein. Aus dieser Schmiede stammen die Esse und ein Teil des Werkzeugs. Der Amboss ist eine Schenkung von Walter Linder, der in der Schwabenstraße eine Huf- und Nagelschmiede betrieb. Der Hirnholzboden kommt aus der Lobachschmiede bei Seeg. In der Regel stand der Schmiedeamboss auf einem Holzboden, denn der federte etwas und das erleichterte das Arbeiten. Die Idee mit dem Schmiede-Film hatte ebenfalls Frau Haupt. Er zeigt Karl Kögel, den Sohn und Nachfolger von Hans Kögel, 1992 beim Schmieden eines Grabkreuzes. Durch das Foto, die im Raum frei aufgestellten und aufgehängten Werkzeuge und durch das rhythmische Geräusch des Schmiedehammers aus dem Film bekommt der Raum eine ganz besondere Atmosphäre, die den Besucher sofort gefangen nimmt.

Eine Schmiede hat es früher in jedem Dorf gegeben. Dort wurden Werkzeuge hergestellt und repariert, Nägel geschmiedet, Pferde beschlagen und die Metallteile für die hölzernen Wägen hergestellt und zusammengebaut. Im Zuge der Industrialisierung fiel das Nagelschmieden weg und für die Hufeisen gab es sogenannte Rohlinge von der Stange, die „nur“ noch angepasst werden mussten. Immer mehr fabrikgefertigtes Werkzeug kam auf den Markt. Mit der Erfindung der luftbereiften Räder fiel auch noch die wichtigste Zusammenarbeit mit dem Dorfwagner weg. Und bald wurden Ross und Wagen durch motorisierte Fahrzeuge ersetzt. Den Dorfschmieden brach die Arbeit weg. Viele von ihnen wichen in den Maschinen- und Fahrzeugbau oder in die Schlosserei aus. So auch die letzten Markt Oberdorfer Schmiede Guggemos, Kögel, Linder und Spaun.

 

Marktoberdorf, 25.1.2023

Kornelia Hieber

Heimatverein Marktoberdorf

Literatur:

Siegl, Helmut: Leuterschach im Wandel der Zeit (Ortschronik), Krugzell 2005.

Bildnachweise:

Schmiede Fichtl Leuterschach 1: privat (das habe ich von Afra Krumm, die hat es glaub ich von der Familie Fichtl)

Schmiede Fichtl ab 1920: Leuterschacher Chronik

Geschmiedete Egge: K.Hieber

Anwesen Fichtl 2002: Leuterschacher Chronik

Schmiederaum Stadtmuseum: Stadtmuseum/K.Hieber

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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