Hoigarte des Heimatvereins mit Emilie und Herbert Eigler

1905 begann der damals 21-jährige Georg Lederle seine Tätigkeit am Bezirksamt Oberdorf als letzter königlich-bayerischer Sekretär und blieb dort als Regierungsinspektor bis 1946. Er begleitete also den Markt Oberdorf als leitender Beamter durch schwierige Zeiten und hat jahrzehntelang seine Beobachtungen und Erfahrungen aufgeschrieben. Zusätzlich hielt er zahlreiche Geschichten und Anekdoten fest, die das Leben im damaligen Markt Oberdorf lebendig werden lassen. Herbert Eigler, der den schriftlichen Nachlass des Inspektors erhalten hat und Emilie Eigler, die ihn noch persönlich kannte, erzählten in einem Hoigarte am Hartmannhaus von Georg Lederle.

Geboren wurde er 1884 in Eggenthal. Mit fünf Jahren verlor er durch einen tragischen Unfall seinen linken Unterarm. Aufgrund seiner ausgezeichneten Schulleistungen erhielt er auf Vermittlung seines Schulrektors 1899 eine Stelle als Inzipient – Anfänger – am Bezirksamt Kaufbeuren. Lederle schrieb über seinen Start ins Berufsleben: „Das Bezirksamt bestand mit mir aus sieben Personen. Die Einrichtung war ärmlich. Zum großen Teil waren nur gewöhnliche alte Tische oder Stehpulte vorhanden. Schreibmaschine und Telefon gab es noch nicht. In jedem Zimmer war ein Kachelofen. Gas spendetet ein unruhiges Licht….Die Schreibtinte wurde im Amt selbst hergestellt. Löschblätter waren vorhanden. Die älteren Herren blieben aber ihrer Gewohnheit treu und trockneten die Schrift mit Streusand. Ein Hasenfuß war auch da, um damit den Sand auf dem Tisch wieder zusammenzukehren und in die Streudose einzufüllen.“ 1905 wechselte Lederle als zweiter Amtsschreiber ins Bezirksamt Markt Oberdorf, wo er bis zu seiner Pensionierung bleiben sollte. Hier verheiratete er sich mit der Glasermeisterstochter Karolina Bantele und wohnte mit ihr in ihrem Elternhaus in der Gschwenderstr. 8.

Herbert Eigler erzählte über harte Zeiten, die Lederle in seinem Berufsleben meistern musste: Erster Weltkrieg, Arbeiter- und Spartakistenaufstände, Hungersnot, Massenarbeitslosigkeit und Inflation, die Nazizeit und die katastrophalen Zustände nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. An einem Beispiel verdeutlichte Eigler Lederles Dienst- und Lebenseinstellung: Im Ersten Weltkrieg kam ein Soldat zu ihm, der seinen Marschbefehl schon in der Tasche hatte, aber vorher noch seinen angeheirateten Sohn adoptieren wollte. Lederle war zwar nicht befugt dazu, aber weil die Zeit und die Situation drängten, regelte er alles für ihn. Als sein Chef einige Tage später zurückkam, wurde er dafür geschimpft, das sei ungültig. Lederle sagte selber dazu: „Rein rechtlich hatte er wohl recht, aber ich stand auf dem Standpunkt, dass außergewöhnliche Verhältnisse außergewöhnliche Maßnahmen begründen.“ Über die Machtergreifung der Nazis schrieb er: „Zum Teil war damals große Begeisterung, SA marschierte singend durch die Straßen, SS wurde aufgestellt – zum Teil blickte man besorgt in die Zukunft. Was den Leuten nicht gefiel, war die Einstellung zur Kirche und zu den Juden. An den Eingängen zum Markt wurden Plakate angebracht: „Juden sind hier nicht erwünscht!“ Lederle war fest davon überzeugt, dass ein Beamter als Staatsdiener über den Parteien stehen muss, um sein Amt unparteiisch ausüben zu können. Daher habe er in seinem ganzen Leben nie einer politischen Partei angehört. Vielleicht wurde er deshalb 1938 zeitgleich mit seinem damaligen Amtsvorstand pensioniert. Schon 1939 wurde er wieder zurückgeholt: Die Bezirksämter waren in Landratsämter umbenannt worden und er musste die Kreiskasse übernehmen. In den letzten Kriegsjahren wurde er sogar zum stellvertretenden Landrat bestellt.

Emilie Eigler steuerte ihre persönlichen Erinnerungen bei. Lederle sei allseits geschätzt worden und heimatgeschichtlich sehr beschlagen gewesen. Sie habe ihn erst als Rentner kennengelernt. Damals war ihr Vater Buchelwart und führte Lederle einmal in die Wendelinskapelle. Der erkannte gleich, dass darin zwei wertvolle Votivtafeln hingen, die in der Feuchte des Kirchleins kaputtgehen würden. Lederle sorgte dafür, dass sie ins Heimatmuseum im alten Rathaus kamen. Eine davon zeigt die einzige Darstellung der Martinskirche vor der Kirchturmerhöhung.

Auch von den privaten Aktivitäten Lederles war die Rede. Dieser war nicht nur lange aktiver Rot-Kreuzler gewesen, er hatte auch einen Stenographenverein gegründet und war Mitglied im Oberdorfer Jörglclub. Seine besondere Vorliebe aber gehörte dem Schreiben von Geschichten, Anekdoten und Gedichten, zum Teil in Mundart. Auch davon hatte Herbert Eigler unterhaltsame Beispiele dabei: Hier ein Gedicht, das Lederle zum 50jährigen Eisenbahnjubiläum verfasst hatte, zu einer Zeit, als kleine Buben mit kurzen Hosen nur den halben Fahrpreis zahlen mussten:

 

„…jetzt kommt a Fraule mit ihrer Muater

 und ihrem Buale in ar lange Hos.

 „Für den Kloine“, moint des Fräule,

 „brauch i a halbe Fahrkarte bloß.“

 „Der hot ja scho a lange Hos,

 noi, liebe Frau, des goht it.

Do miasset dr scho a Ganze hau

 wenn drn lau wend mit.“

 „Ja wenn des nach der Hose goht

 nimm i für de Bua a Ganze glei.

 Für mi langt schon a halbe no

 und d’Muatr die goht frei.““

 

Die Film- und Fotofreunde Marktoberdorf zeichneten den Hoigarte auf. Das Video soll auf CD gebrannt werden und beim Heimatverein erhältlich sein. Wir informieren Sie über unsere Homepage.

Text: Kornelia Hieber

 

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